Tropenträume alle Tage

Rote Hibiskus vor Landschaftsbild Hier prallt Wunsch auf Wunsch. Wem galt das Träumen des Photographen in diesem Augenblick? War es diese kleine Stadt im Gebirge oder die Sehnsucht nach fernen tropischen Inseln?

Kennt jemand das Städtchen auf dem alten Dreifarbendruckbild? Nach einem Aquarell von Ferdinand Gatt um 1900.
Gekko beim Falterfangen

Jedes Pflänzchen hat bei uns Familienanschluß, deshalb auch einen Namen, und jedes könnte seine eigene Geschichte vortragen. Die große rote Blüte, ganz klar, ist die Schöne von Hawai'i. Auf der Insel Maui kam ich gerade dazu, als ein Hotelgärtner die Hibiskushecke beschnitt. Ein blühender Zweig ragte zu hoch über den Rest und fiel seiner Schere zum Opfer. Die Blüte konnte es nicht fassen und ich auch nicht glauben, daß ihr Leben schon vorbei wäre. Ich hob sie auf und der Zweig überlebte in einem feuchten Beutel die lange Reise hierher. Was für ein Tag, als sie nach Monaten Wurzeln gefaßt hatte und ein halbes Jahr später zum ersten Mal blühte!

Seitdem existiert jahraus jahrein ein sichtbares Band zu meinem Urgroßvater Theodor, der vor 1880 nach Maui ausgewandert war. Den immer Hungrigen hatte es aus dem Thüringer Wald zu den Sandwichinseln gezogen, weil es hieß, dort wachse das Brot auf den Bäumen. Seiner Frau fehlte leider der Mut, ihm mit ihrer Tochter "übers große Wasser, das keine Balken hat" zu folgen. Theos Spuren verlieren sich In Honolulu. Er war vom Regen in die Traufe geraten und zusammen mit seinem deutschen Prinzipal (Heinrich Hackfeld aus Delmenhorst), dem Königreich und seiner Herrscherin Liliuokalani dem amerikanischen Imperialismus zum Opfer gefallen. Eine Bajonettrevolution der ansässigen amerikanischen Pflanzer; so einfach war das damals schon.

Diese riesigen roten Blüten erinnern mich daran, daß ich auch einmal nach Hawai'i segeln wollte. Beim Gedanken an ähnliche Hungerzeiten vermutlich. Dann würde ich heute vielleicht auch als Hotelgärtner die Hibiskushecken auf Maui mit der Schere stutzen und mich über den seltsamen Fremden wundern, der meine Zweigabfälle einsammelt. Nuu teilt sich mit Willi ein Öllämpchen

Willi gleich zweimal. Ganz oben macht er sich neben der Schönen aus Hawai'i in einem alten gläsernen Öllämpchen breit.

Willis Vorfahre stammte aus einem guten Konstanzer Blumenladen und kam als gutgemeinter Trostspender vor fast 20 Jahren zu uns, als meine Frau und ich gerade versuchten, hier seßhaft zu werden. Damals glaubten wir, die tropischen Tage lägen hinter uns, aber die Sehnsucht war stärker. Es ist immer noch dieselbe Pflanze mit einem kräftigen Doppelstamm. Je nach Sonnenlichtmenge blüht Willi nur einfach oder gefüllt, aber immer wie eine reife Aprikose zum Reinbeißen und das sogar zur Weihnachtszeit.

Auf dem rechten Bild schmust Aprikosen-Willi mit Nuu, unserer Thailänderin, die er überredet hat, den Fingerhut voll Wasser mit ihr zu teilen. Ihre Heimat war ein tropischer Hotelgarten auf der Insel Kho Samet. Mit vielen beruhigenden Worten lösten wir dort ein paar Zweige ihrer Vorgängerin und ab damit in eine feuchte Tüte. Auch sie wurzelten hier. Beider Nachwuchs, natürlich auch mit der Schere geköpft, hat sich mit den Jahren auf allen unseren Fensterbrettern eingenistet. Manchmal trägt jede Pflanze an die 20 Blüten an einem Tag, aber immer nur von morgens bis abends einen Sonnentag lang. Deshalb findet hier jeden Morgen eine Verteilung der schönsten Blüten auf die passenden Vasen statt.

Schlupfwespen gegen Blattläuse Blattläuse an einem Blütenblatt? Gewesen! Die Schlupfwespenlarven lassen nur die leergefressene Blattlaushülle zurück.

An der glattblättrigen Hawaianerin prallen die Sauger ab. Die fülligen Willi und Nuu haben haben aber bisher auch alle Blattlausinvasionen überlebt. Uns hilft eine fast unsichtbare Luftflotte an Schlupfwespen. Die scheinen jedesmal mit den ersten Blattläusen einzuschweben. Vielleicht lauerten sie auch in der Hibiskusrinde auf ihre Stunde.

Viel Selbstbeherrschung gehört dazu, den Augenblick abzuwarten, bis die letzten Blattlausfühler herumzufuchteln aufgehört haben und ein Schlachtfeld übrig blieb. Jedes beschleunigende Sprühmittel würde auch die Schlupfwespen töten, genauso ihre Larven nach dem Entfernen der befallenen Blüten.

Innerhalb zweier Wochen legt jede Miniwespe an die 1000 Eier, eins in jede Blattlaus. Die sich entwickelnde Larve frißt die Laus von innen leer, schneidet sich dann tellerförmig eine Art „Mannloch“ in die leere Blattlaushülle (Lupe!), steigt aus und setzt ihre Entwicklung zur neuen Schlupfwespe fort. Als ich diese kleinen kugelförmigen Hüllen zum ersten Mal entdeckte, war ich entsetzt über diese mir noch unbekannte neue Pest. Die Beruhigung kam dann von einem Reichenauer Gemüsegärtner, dem ich so ein Blatt mit "Schädlingen" gezeigt hatte. Jazzie

Das gibt’s auch: Von Amerika ausgewandert ! Bisheriger Wohnsitz: Bourbon Street in New Orleans. Im Hotelgarten neben dem Schwimmbecken. Diesmal also keine Silberscheibe mit Preservation Hall Jazz als Mitbringsel Henriettes.

Unser Louisianagirl blüht seit Juni 2005 und singt dazu: When the Saintes go marchin’ in. Sechs Monate hat es ums Überleben gekämpft. Eine Folge des 11. September. Die Nagelschere war zum Schutze der USA am Flughafen konfisziert worden. Der Zweig ließ deshalb beim brutalen Abrupfen und im Dunkeln wegen der Videoüberwachung einen Teil seiner Rinde zurück. Eigentlich reif für die Biotonne, aber eben doch nicht. Wessen Vorfahre als Plantagensklave am Mississippi großgeworden ist, der hat Schlimmeres hinter sich.

Wir fragen uns jetzt: Eine schöne Blüte? Vanillepudding mit Himbeersirup! Als Kind war ich gierig danach. Ein runder Topflappen in fröhlichen Farben, Durchmesser 22 cm? Oder wie die Farbe im Hurricanglas? Das ist der Betrunkenmacher aus Rum, Ananassaft und Grenadine oder so ähnlich? Er wird zu Marti Gras in allen Bars der lebensfrohen Stadt in hohe Gläser gefüllt, aber in der Karibik mixen sie ihn besser. Dort sind allerdings auch die wirklichen Hurrikans stärker. Meistens wenigstens. In jedem Fall ein bunter Farbfleck im pechschwarzen Kraushaar einer hübschen Kreolin. Deshalb tauften wir die Neue so. Fast sicher ist die Mutterpflanze im Royal Sonesta Hotel bei der alles zerstörenden Seewasserflut, die bald nach Henriettes Aufenthalt folgte, eingegangen.


Praslin Nelke

Mitbringsel von den Seychellen: Auf den ersten Blick von einer füllig blühenden, leuchtend roten Nelke nicht zu unterscheiden

In den allerersten Jahren habe ich anfängerhaft in größere Behälter umgetopft. Der Schaden durch das jedesmal zerstörte haarförmige Wurzelwerk war größer als der Nutzen. Seitdem dünge ich nur noch fleißig und sorge dafür, daß kein Wasser im Topfboden steht. Jedes Pflanzenbuch behauptet, das mögen sie nicht. Sicherlich faulen die Wurzeln in schlammigem Erdboden. Steht der Topf aber erhöht in einem mit Wasser gefüllten Untersetzer, schlängeln sichbald Wurzeln durch den Topfboden und genießen die Badewanne. Das spricht dafür, daß auch Hydrokultur eine gute Wahl für Hibisken sein sollte. Ich kam aber schon lange davon wieder ab. Hibisken mögen kalkhaltigen Boden, deshalb deponiere ich jedes Frühjahr etwas frischen Lehm neben dem Stamm. Der verteilt sich langsam beim Gießen. Alle stehen das ganze Jahr über bis etwa 13 Uhr im Vormittagslicht. Jede Hibiskusart unterscheidet sich übrigens auch ohne Blüte durch ihre Blattform und Rinde.
Nachschub aus Südtirol

Das Hibiskusabenteuer nimmt kein Ende. Leider aber die Länge unserer Fensterbänke im Winter, und schon drängt sich Nachwuchs in kleinen Töpfen.

Ein leuchtend roter Farbfleck auf dem vor Jahren jämmerlich abgeholzten Brixner Domplatz zog letztes Jahr meine Aufmerksamkeit an. Links vom Domportal neben dem Eingang zu einem edlen Kosmetikgeschäft stand ein übermannsgroßer Hibiskusbusch in voller Blüte. Was für ein Anblick! Ich war sofort verliebt. Wer den im kühlen Brixner Klima gepflegt hatte, war ein Gesinnungsgenosse und würde meine Bitte nicht zurückweisen. Ich trat ein. Die Verkäuferin war eine ganz liebe, lieh mir eine Schere, schnürte anschließend mit Zellophan und Schmuckbandl die in feuchte Tücher gehüllte Beute und wie mit einem Päckchen von Dior beschenkt, verließ ich den gastlichen Laden. Drei Monate dauerte das Anwurzeln in einem kleinen Hydrokulturtöpfchen. Beide Pflänzchen, längst in Erde umgezogen, blühten im Sommer 2005 zum ersten Mal. Die Blüte ähnelt der zarten Nuu, ist aber fast doppelt so groß. Sie hat schon ihren Namen weg: Unsere Brixner Gitsch.(Gitsch = Madl) Fehlt mir jetzt nur noch ein Domplatz zum Abstellen aller Töpfe. Tephrocactus diadematus, Papierstachelopuntie

Vor unseren Fenstern lebt aber auch Widersprüchliches friedlich nebeneinander. Hier der Lockruf kräftiger Farben, dort ein abweisender und nie blühender Stacheligel, der auch weit herkommt.

Wir nahmen 1993 dieses winzige Exemplar eines Tephrocactus in der Namibwüste an uns und setzten es hier in eine leere Kokosnuß. Wir hatten es gut gemeint, hatten vom Sossusvlei sogar eine Plastikkanne voll roten Wüstensand mitgebracht und dekorierten alles mit rohen Granaten, wie sie dort in jedem ausgetrockneten Bachbett herumliegen. Sah hübsch aus. Ein Souvenir aus dem ehemaligen Deutsch-Südwest von der besonderen Art. Rechts ist ein Foto von damals zu sehen. Tephrocactusdetail nach 12 Jahren

Das ist nach 12 Jahren etwa ein Viertel des Papierstachelwaldes auf der Fensterbank. Hier setzt sich keine Taube mehr nieder

Wir gingen der Sache auf den Grund. Diese Tephrokaktusart sei eigentlich in Schnee und Kälte der chilenischen Anden auf über 3000 bis 4000 m Höhe zuhause. Tatsächlich fallen auch in der Naukluft die Temperaturen manchmal unter den Gefrierpunkt. Um das Maß voll zu machen, stießen wir jetzt im Herzen der australischen Wüste bei Cooper Pedy auf das gleiche Exemplar. Läßt hier Gondwana grüßen?

Ganz bestimmt. Ein Überbleibsel aus der Zeit, als Australien, Südafrika und Südamerika noch am Stück hingen. Wie sich Proteaarten bis heute in Südafrika und Südaustralien gehalten haben und nur dort. Ein beneidenswerter Überlebenskünstler. Er hält es in jedem Klima aus und hat gute Aussichten, der nächsten Eiszeit und dem neuerlichen Vordringen des Rheintalgletschers gelassen entgegenzusehen. Genauso wenig wird ihn eine Klimaerwärmung bis 40 oder 50 Grad Celsius beunruhigen. Das hat er jetzt schon in Australien bewiesen – und wir auch! Links ist zu sehen, was aus dem bedürfnislosen Asylanten auf unserem Fensterbrett geworden ist, nachdem er einen Schuß Kakteendünger gekriegt hat.

Was ich noch später dazulernte: Es gibt sogar in Deutschland und in der Schweiz viele Liebhaber dieser Papierstachelkakteen. Leider blüht hier selten oder nie ein Exemplar. Hat es schon einmal einer im Engadin oder im Wallis versucht, sie zum Blühen zu bringen? Blühende Uganda-Agave

Alle Jahre von neuem blüht jetzt schon seit 1981 diese afrikanische Agave aus Uganda. Ihre kurzen, schwertartigen Blätter sind grünweiß gefleckt.

Auch diese Pflanze hat ihre Geschichte. Antje-Henriette brachte sie von ihrem Einsatz als Felddelegierte für das Internationale Rote Kreuz in Uganda mit. Nach Idi Amins Sturz war das Land in Bürgerkrieg und größtem Elend versunken. Bei den Karamodschong im abgelegenen Norden organisierte sie während ihrer Semesterferien die Lebensmittelverteilung an die Hungernden. Anders als alle Mitglieder einer finnischen Delegation kam sie mit dem Leben davon und kehrte zu ihrem Studium nach Kiel zurück. Kaum zu fassen nach allem Erlebten, aber die Sehnsucht nach diesem Land blieb Antje-Henriette unter der Haut.

Deshalb pflegen wir dieses Mitbringsel. Es blüht jetzt schon in der 25. Generation. Da uns die Weite der afrikanischen Savanne auf der Fensterbank fehlt, müssen wir uns jedes Jahr von der Mutterpflanze trennen und pflegen zwei ihrer Kindel, die sich jeden Herbst herausbilden, über den Winter. Zwei müssen es sein, falls einmal eins der beiden Exemplare die Operation nicht überleben sollte. Unbekannte Pflanze von Lizard Island, Great Barriere Reef

Wer aufmerksam reist, steht jeden Tag vor neuen Rätseln. Diese knapp kniehohe Pflanze lebt vielleicht endemisch auf Lizard Island im Großen Barriereriff.

Wir nannten sie Löffelpflanze wegen der löffelstielartigen Blattverlängerungen. Hat jemand Hintergrundinfos dazu? Dieses Exemplar wächst im Hotelgarten, hat also schon anderswo Beachtung gefunden. Warum mag diese Pflanze den Löffel ausgebildet haben? Zur Vergrößerung der Wassereinzugsfläche?

Während ich das schreibe, höre ich weiter unten ein dünnes Stimmchen Sawadii kha rufen. Das kann nur unsere Nuu sein, die so hübsch rosa blühende Erinnerung an Urlaubstage in Thailand. Hier ist sie noch einmal.<

Nuu genießt
die sonnigen
Bodenseetage
Fleischfresser
Gierig nach Blattläusen?
Nuu-Blüte

Weil es hier in unserer Straße eine aufdringliche Sorte Tauben gibt, die sich rücksichtlos zwischen unseren Blumentöpfen und sogar auf den Papierstachelberg niederlassen wollen, was jedesmal einer Katastrophe gleichkommt, haben wir im Hintergrund diese fleischfressende Pflanze als Vogelscheuche aufgestellt. Bevor sie sich an Ihnen, lieber Besuch, vergreift, würde ich sagen, Sie suchen sich jetzt besser die Tür da rechts, wo es wieder zu Ihrem Ausgangspunkt zurückgeht.

Ausgangstürl

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