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Segeln mit dem großen Löffel

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Foto aus Mudeford
Tief unter dem Flieger das Matterhorn

Gut 20 Jahre liegen zwischen dem Titelbild der Erstausgabe links oben und dem Klappentext rechts von 1989. Wie heißt es so treffend? Hinterher hat jeder leicht reden. Als Abenteurer sah ich mich selber niemals. Hatte 1967 Mut dazugehört, diese Reise zu beginnen oder war es gar Leichtsinn gewesen? Es war eine Herausforderung, eine anspruchsvolle Bergtour in unbekanntem Gelände und mit einer Ausrüstung ohne Atlantikerprobung, nichts weiter.

Wer 1965 in Europa einen Katamaran suchte, mußte zur Bootsausstellung nach London fliegen wie ich aus Mailand. Das Matterhorn erhob warnend den Finger. Wer sich auskennt, erblickt links oben in der Bildecke auch das Montblanc-Massiv. Wollte ich das wirklich für immer zurücklassen?

Für wen hätte ich etwas riskieren sollen? Mir ging es gut. So gut wie dem sprichwörtlichen Esel, der aufs Eis geht. (Bis auf die bei Mailänder Studentenunruhen ausgebrannten Autowracks.) Ich hatte niemals in der Bundesrepublik Deutschland gelebt und hatte das auch nie vor. Ich wollte dort weder Kats verkaufen, noch eine Werft für Kats gründen. Selbst Karibik-Yachtcharter war dort ein Fremdwort, ja, das Wort Karibik noch nicht von tüchtigen Vermarktern erfunden.
Vielleicht wollte ich ganz einfach den in überholten Traditionen steckengebliebenen Seglern zeigen, wie unsäglich dämlich der Einwand war, Katamarane seien nicht seetüchtig. Ich glaubte, es jedenfalls besser zu wissen.
Vielleicht ein Achtundsechzigerprotest auf meine Art. Ohne deshalb gleich pöpelhaft mit faulen Eiern den Schah beim Deutschlandbesuch zu beschmeißen. Jeder erlebte die Folge dieser Hetze: Der ganze Vordere Orient bis heute in Blut erstickt. Da half auch nicht, daß der Steinewerfer von einst als arrivierter Außenminister vergeblich auszog, ihn zu befrieden. Vor allem, seit nicht mehr mit Tomaten, sondern mit Bomben die fremde Weltordnung nach dem amerikanischen Lot zurechtgerückt werden soll und nicht nach deutschen Studentenköpfen.

Mehrrumpfboote waren in England nichts Auffälliges

Bei auslaufendem Strom bleibt das Mehrrumpfboot auch im Schlamm aufrecht stehen und kippt ohne Krücken nicht um. Ideal für Englands Küstenreviere


Die Zwillingsfock wird ausprobiert

Rechtes Bild: Vor Passatwind von achtern wird wochenlanges Einhandsegeln im Kat zum Vergnügen. Wenn alles klappt, steuern die beiden Vorsegel über die Pinne das Boot alleine.

Mich drückten vor dem Lossegeln andere Sorgen. Wie würde ich in fünf oder sechs Wochen allein auf dem Meer mit allen unvorhersehbaren Ereignissen fertig werden. Was könnte auf diesem unerprobten Boot alles passieren? Würde die völlig ungeeignete Windfahne tun, was ich von ihr erwartete? Sie wird es nicht! Zwei Jahre später und schon klüger geworden, rief ich in England bei Colonel Hasler an und fragte, was er mir für meinen neuen und jetzt 10 m langen Kat als Selbststeuersystem empfehle. Seine seit Chichesters Reisen bewährte Anlage wäre es jedenfalls nicht. Das müsse ich schon selbst herausfinden, meinte er, was im komprimierten Fahrtstrom zwischen beiden Rümpfen noch als Pendelruder funktioniere. Ich fand es heraus. Versuchskaninchen für Englands Katamaranflotte!

Nächste Sorge: Doppelfockbeseglung bei achterlichem Passatwind war zwar längst erprobt, aber nur auf Kielbooten mit einem ganz anderen Länge-Breite-Verhältnis. Zwei Vorsegel an einem 13 m langem Kielboot ziehen viel zielgerichteter bei gleicher Bootsbreite als an einem nur acht Meter langen. Jeder versuche mal, einen Schlitten oder ein Beiboot an kurzer oder langer Leine hinter sich herzuziehen! Wird das Boot Tag und Nacht allein seinem Kurs nach Lee folgen? Meine Nachtruhe hing davon ab. Heute weiß ich es: Es hielt Kurs.

Mitte Juli 1967 alles gut in meinem segelnden Pantoffel überstanden und wieder in Mailand zurück, ein Versuchsballon in Bielefeld. Ich hätte ihn nicht aufsteigen lassen sollen. Verleger Konrad Delius gefiel zwar mein Vorschlag, aber er brauchte im damaligen Umfeld nicht weniger Mut zum Druck eines Buches über Katamaransegeln als ich vor der Reise zum Lossegeln auf einem Kat.

Jetzt war es an mir, den Text termingerecht aufs Papier zu bringen. In meinem Mailänder Büro häuften sich seltsame Aktenordner unterschiedlichster Fachbereiche. Einmal hatte ich meine Importfirma wohlüberlegt zu zerlegen und günstig zu verscherbeln. Da ging aus Zeitmangel und Ablenkung vieles den Bach runter – und nicht nur die Doppelte Buchführung! Nicht jeder deutsche Partner war bereit, 20 Jahre Marktpflege seiner Produkte mit einer Jahresrente zu honorieren. Die mächtigere Konkurrenz wird ihn bald schlucken und weg sind Namen und Produkte.

Am leichtesten kam ich mit dem Buch voran. Ich war schließlich im Geiste schon wieder auf Antigua, kaute also bloß wieder und ließ mir zukünftige Segelfreuden verträumt im voraus auf der Zunge zergehen.

Der neue und größere Katamaran war bereits in England gebucht, rettete aber trotzdem die Werft nicht vor dem Konkurs. Bis auf den Rumpf liefen alle Zubehörbestellungen aus nachvollziehbaren Gründen über meinen Schreibtisch. Welche Maße müßten die Segel haben, vor allem die beiden gleichartigen Vorsegel, die mit Abstand fliegend am Vordeck gesetzt werden sollten, aber wie weit vor dem Mastfuß?

Dünne Plastikfenster auf hoher See? Aufklappbare dünne Plastikfenster am Vordeck? Werden sie dem Seewasserdruck standhalten?

Es wurde damals warnend darauf hingewiesen, daß hochseetüchtige Kielyachten alle Fensteröffnungen mit 2 cm dicken Holzplanken sichern müßten. Wer miterlebt hat, wie schwerfällig große Yachten mit brutaler Gewalt in die Wellen krachen, versteht diese Warnung. Was übersehen wurde: Leichte Katamarane schwimmen wie eine Ente an der Wasseroberfläche.

Gerieten die Spieren zu lang, stünden die Vorsegel wie ein Brett und verweigerten die Arbeit; gerieten sie zu kurz, bauschten sie sich zum Sack auf und wären ebenso nutzlos. Jeder Maßschneider würde da gesagt haben, das ginge nur mit dem Metermaß vor Ort. Keine Rede davon bei Lieferfristen von sechs Monaten. Ein Vabanquespiel auf dem Reißbrett. Ebenso die Holepunktfrage: Wo genau gehörten die Decksverstärkungen für die Schotwinden hin?

Nichts schwappt über Keine Angst, der Teller schwappt nicht über! Das gefährlichste schien allen Besuchern, ich kochte mit Gas. Alles nur eine Frage solider Installation. Petroleumkocher fangen leichter Feuer.

Ankergeschirr? Ich wußte es bereits. Auf den Inseln gab es keine Steganlagen. Anker mußten sein. Sie waren später nichts wert. Ich tauschte sie bei einem Fischer, der ein Geschäft witterte, gegen einen simplen Stockanker um. Der beste aller meiner Anker, ein 10-kg-Bruce, war noch nicht erfunden. Da werden Yachtzeitungen noch jahrelang Druckerschwärze vergeuden. Es gibt nur diesen einen, aber natürlich gibt es viele andere Hersteller auch, die nicht übersehen werden dürfen, damit das Anzeigengeschäft weiter so üppig fließt.

Ich werde ein Leben lang den Entschluß loben, auf jede Art Ankerspill verzichtet zu haben. Fast 20 Jahre lang Kette, Tau und Eisen Hand über Hand an Deck zu hieven, ließ keinen Bandscheibenvorfall aufkommen.

Beim Beiboot gab es zweimal einen Fehlkauf. Französische Segler, die an ihre geschützten Yachthäfen und Steganlagen gewöhnt waren, segelten ohne Beiboot los und klauten sich bei der Ankunft auf Barbados das erstbeste. Bis zur Marina vor der Küste Venezuelas hinunter, immer dasselbe: Fehlte ein Beiboot, war der erste Gedanke: Wo flattert eine Tricolore an einer ankernden Yacht?

Sonnenuntergang bei den Needles vor der Isle of Wight Sonnenuntergang bei den Needles. Höchste Zeit, einen sicheren Hafen zu finden. Nach der Umrundung der Insel glaubte ich mich fit für die Reise.

Nächste Hiobsbotschaft, diesmal aus Bielefeld und heute undenkbar: Für Farbbilder im Buch sei kein Geld da. Ich machte mich also selbst auf die Suche nach einem Großzügigen, der den Preis für einen Farbdruck auf den Tisch legte, fand aber nur einen einzigen und das war zuwenig. Ohne Werften oder Händler im Hintergrund, die sich von Werbung einen Erfolg für den eigenen Geldbeutel erhofften, gab es auch in den folgenden Auflagen keine Farbbilder bis heute. Bis zu diesen Seiten hier endlich.

Endergebnis meiner Schreibarbeit: 3000 Exemplare spuckte die Buchbinderei aus. Das interessierte mich aber nur noch am Rande. Ich lebte ja bereits in Badehose und barfuß am Palmenstrand, als die ersten Belegexemplare im Frühjahr 1969 auf Antigua eintrafen. Laut Poststempel aus Bombay hatten sie auf der Suche nach mir ein ganz anderes Westindien angesteuert. Jemand in Bielefeld war offenbar mit dem Adressieren überfordert gewesen. Die Bücher hätten auch in der ehemaligen Hauptstadt Guatemalas, Antigua, landen können.

Die Frage liegt heute auf der Hand: Ob ich gescheiter diesen Titel bei Flammarion in Paris herausgebracht hätte? Von dort bezog ich seit Jahren all mein Seglerwissen. "Wo glaubst du hin, Rudi!" wird da einer ganz richtig einwenden. Du mit deinem Reiseziel English Harbour beim britischen Erbfeind auf Antigua? Da hättest du als Vorkämpfer für die Route du Rhum von heute die französischen Antillen ansteuern müssen. Diese waren aber schon damals ein einziges Räubernest, wo kein Segler sein Schiff einen Augenblick unbeaufsichtigt lassen durfte. (Mir wird im Jahre 1984 das lange befürchtete Ereignis unweit der Dingipier von Fort-de-France den Geschmack an der sogenannten „Karibik“ ein für allemal vergällen.) In English Harbour lebte die englische Seglerfamilie Nicholson. Sie werden mein zurückgelassenes Hobby bewachen, bis ich zurückkehre.

Auch wenn es nicht direkt hierher gehört. Es zeigt, was einem alles beim Bootsbau in England passieren kann. Da mein nächster Katamaran, Eilandhopper, ein Kat ohne Mittelsalon werden sollte, hätte der Mast um anderthalb Meter länger zu sein, entsprechend länger auch Wanten und Stage, aber um wieviel genau? Der Mastlieferant hatte meine Angabe nicht beachtet, da er meinen BOB-10 für einen Serienkat, also mit Deckshaus hielt. Echt konservativ: Wir machen das wie immer! Das Telefon war auf der Insel noch nicht erfunden. Zum Glück verstand sich Mastbauer Proctor auch aufs Anstückeln, sonst wären wir noch ein halbes Jahr später losgesegelt. Mit den Tranlampen englischer Geschäftsleute war ich aber seitdem fertig.

Keine Angst, der Apfel rollt nicht fort! In Pool Harbour pflückte ich Heidekraut und wartete auf guten Wind für die Kanalüberquerung nach Cherbourg. Keine Sorge, der Apfel rollt nicht weg!

Räuber gab es später auf Antigua auch. Im Arbeitsministerium. Der später nach USA ausgerückte Boss schätzte es seinen Worten nach sehr, daß der Name seiner Insel zum ersten Mal auf einem Buchtitel erschien. Nur Engländer und Amerikaner kannten bis dahin Antigua. Ich überreichte ihm ein signiertes Exemplar mit ein paar noch oft bedauerten schönen Worten. Ich handelte mir damit eine Arbeitserlaubnis für sechs Monate Wassersport im Jolly Beach Hotel ein und sparte wenigstens das eine Mal die sonst übliche Handvoll Hundertdollarnoten für diese Gunst. Kurz nachgerechnet: Bei einer Umrechnung zum Dollar von 1 : 4,20 DM sparte ich auf diese widerwärtige Weise mehr ein, als die ganze Auflage abwarf. So hatte das Buch doch noch etwas Gutes gebracht, ein Exemplar wenigstens unter den 3000.

Unter Deck ein Herrgottswinkel wie in Tirol

Buchkritiker aus Yachtclubkreisen, die mit dem Zeigefinger wackelten, gab es hinterher genug. Andere räumten sofort einen Platz hinter dem Haus frei, fingen mit dem Bau eines eigenen Kats an und haben es nicht bereut. Bei sogenannten Seglerpäpsten, den vertrauten Meinungsbildnern, dauerte die Kehrtwende etwas länger. Da waren vielleicht andere Fakten im Spiel. Frankreich wird bald überschwemmt werden von Werften, die gute und schlechte Mehrrumpfboote bauen und England die Show auf allen Fernsehbildschirmen dieser Welt stehlen. Trotzdem werden Jahrzehnte vergehen, bis Deutschlands vermutlich letzter Wendehals erfreut vom Kielboot in einen Kat umsteigt, als habe er dessen Vorteile eben erst entdeckt - einen französischen Kat natürlich. Warum wohl?

Shipshape war Nebensache, homely mußte es unter Deck aussehen. Die alte kupferne Maßkanne fand ich bei einem holländischen Trödler, als ich noch auf der Suche nach einem Kielboot war. Das Tiroler barocke Reliquienkreuz aus Buchsbaumholz unter dem Mast war Talisman und Schutzengel zugleich


Doppelrumpfboot in Polynesien

Gut 200 Jahre sind vergangen, seit Kunde von großen und schnellen Doppelrumpfbooten durch Kapitän James Cook vom Pazifik her nach Europa drang. Die heute vergilbte Graphik wurde nach seiner Rückkehr in London nach einer Vorlage in Kupfer gestochen, die Cooks Bordzeichner auf der zweiten Reise (1772-1775) an der Küste von Raiatea, dem heutigen Rarotonga, nach dem Leben festgehalten hatte.

Den Männern auf der Resolution kullerten beinahe die Augen aus dem Kopf, heißt es, als sie den Schneckengang ihres eigenen schwerfälligen Schiffs mit diesen Flitzern verglichen. Angesichts der europaweiten Verbreitung dieser Abbildung bleibt es verwunderlich, daß es bis ins 20. Jahrhundert hinein keine Versuche gab, diesen Bootstyp nachzubauen. Erst mit der im letzten Weltkrieg entwickelten Leichtbauweise im Flugzeugbau waren die Voraussetzungen dazu auch hier gegeben, so leicht wie die Polynesier zu bauen.

Ich kann nachfühlen, wie Kapitän Cooks Mannschaft bei diesem Anblick staunte. Als ich in Südtirol die ersten Nachkriegswinter erlebte, stapfte ich mühsam zu Fuß durch tiefen Schnee einem hohen Gipfel entgegen und brach immer wieder bis zu den Knien ein. Andere wedelten auf zwei Schneeschuhen leichtfüßig an mir vorbei. Da wollte ich auch ein Paar Schneeschuhe haben. Das Beispiel ließe sich heute auf jedes Segelrevier mit Kielbooten und Katamaranen übertragen.

Meine Traumziele verschoben sich in den Sechzigerjahren von den Alpen zum Meer. Als ich aber von Glücksburg aus in Nord- und Ostsee Segeln lernte, nahm mir mein Magen das übel. Nicht nur meiner. Nicht einmal hinter einem Bierzelt auf dem Münchener Oktoberfest habe ich je soviele Männer gleichzeitig kotzen sehen. Wir alle schienen vergiftet zu sein. Wo blieb da das Vergnügen? Mußte das sein?

Zu Dreikönig ging bald danach in London über Earl’s Court Square ein Hoffnungsstern auf. Da war es auf der Bootsmesse zu lesen: Seekrank? Nicht auf unseren Katamaranen! Mein erster Gedanke: Ein neumodischer Ulk? Ich nahm das nicht ernst und steuerte die ausgestellten Kielboote an.

So ähnlich sah Hobby auch aus

Am nächsten Morgen fand ich bei einem Londoner Trödler den weiter oben abgebildeten Kupferstich, das Urbild aller Katamarane. Das war jetzt gar nicht mehr ulkig. Ich hatte mir einen Wurm eingefangen. Er segelte eingeramt seitdem an Hobbys und Eilandhoppers Kajutwand zweimal über den Atlantik nach drüben, hängt heute immer noch neben meinem Schreibtisch und wird den in 20 Jahren Antillendasein angenommenen Tropenduft nicht mehr los. Am zweiten Besuchstag hatte ich nur noch Augen für Mehrrumpfboote gehabt und blieb daran hängen, wie nicht mehr anders zu erwarten gewesen war.

Die Abbildung links zeigt den acht Meter langen Bobcat, von dem es bereits 1966 an die hundert gab.
Mein BOB 8 trug die Segelnummer 102. Preis, segelfertig, gerade mal 2.960 Pfund Sterling. (30.000 DM) Und heute? Hobbys sind teurer geworden.

Natürlich ging ich der Londoner Behauptung auf den Grund. Meine leider verstorbene erste Frau war Kunsthändlerin und Künstlerin in Südtirol gewesen und wußte eher als ich, warum Segelboote gegen den Wind segeln können. Ich fragte sie: "Sieh dir diesen Kupferstich an! Verstehst du, Pia, warum alle Welt noch heute auf Kielbooten segelt, wenn sie nicht gerade mit Sidol auf dem Lappen die Messingbeschläge an ihren Edelholzyachten wienert?"

"Ganz einfach, Rudi! Schau dir doch diese auf Hochglanz polierten Gründerzeitmöbel an! Nostalgie pur. Als die ersten Kielboote dieser Welt Königin Victorias Pokal nach Amerika verschleppt hatten, brach englischer Ehrgeiz aus. Alles wollte jetzt auch Kielboote bauen, und sie taten es natürlich im Stil ihrer Kunstepoche. Besuch mal Queen Victorias Sommersitz Osborn auf der Isle of Wight oder wirf einen Blick in mein unverkäufliches antikes Gebrauchtmöbellager, was auf das gleiche herauskommt, dann weißt du, was für ein abscheulicher Stil Mitte des 19. Jahrhunderts in Mode war: Plüsch auf Edelholz, immerhin gute Drechslerarbeit, massiv und alles mit Troddeln und viel Messing verschönt. Prinzgemahl Albert, dein Landsmann übrigens, ließ zu diesem Zweck von British Honduras bis Burma Teak- und Mahagoniwälder fällen."

"Der Schuft!" schoß es mir heraus. "Als meine Urgroßmutter aus dem Thüringer Wald einen Buckelkorb voll Brennholz im Winter heimschleppte, weil im Keller die Kartoffeln erfroren, wurde sie von seiner gräflichen Forstverwaltung dafür bestraft. Kein Wunder, daß ihr Mann nach Amerika auswanderte, wo Holz offenbar umsonst war."

"Ganz klar, alles was wir in Yachthäfen am Mittelmeer glänzen sahen, ist nichts als eine längst überholte Viktorianische Entgleisung. Kein Mensch stellt sich das Gerümpel heute noch in die gute Stube.

So nahm die Mahagoniwelle also ihren Lauf. Preußens Kronprinz Friedrich Wilhelm, sieben Jahre nach dem Desaster mit der Bodenlosen Kanne, also seit 1858 Königin Victorias Schwiegersohn, ließ die teure Kielbootwelle an deutsche Gestade überschwappen. Dort verselbständigte sie sich. Spätere Kaiser ließen sich mitreißen und badeten darin. Längst waren das Deutsche Reich und England zu Rivalen auf den Weltmeeren geworden. Deutsche Kielboote aber besaßen, seit der Kaiser seine eigene Yacht segelte, eine mit hehrem Adel verbrämte nationale Tradition, an der nicht gerüttelt werden durfte. Das war’s also.

Anders hatte ich es in England erlebt. Mit Minirock, Beatles und als Rotzlappen den mißhandelten Union Jack in der Hosentasche, brach sich Neues dort offenbar leichter Bahn. Ein ausgeflippter englischer Junge mit zwei deutschen Mädchen bastelte in England an einem Segelboot für die Tropen. Eigentlich ein Witz, was der Zufall manchmal bereithält. Beide schmuggelten wir nach dem Krieg zur gleichen Zeit starke Getränke über den Brennerpaß, James Wharram allerdings im englischen Army-Jeep der Besatzer über die Paßstraße, ich im Rucksack im dichten Wald heimlich daneben, und beide haben wir das Katamaransymbol als Initiale im Namen, das große "W". Wie übrigens auch Heiner Wölper aus Bremen, der wie kein anderer in Deutschland die Katamaranidee uneigennützig weitergetragen hat.

Wharrams Haremboot sollte zwei Rümpfe haben. Für jede Dame einen? Das war in den Fünfzigerjahren, zu einer Zeit also, als nur Ceylonreisende mit Kenntnis der tamilischen Sprache verstanden hätten, was das Wort catamaram bedeutete: Zusammengebundene Baumstämme, ein Floß also. Durch die Biskaya trauten sich die drei noch nicht damit und das war gut so. Ein Frachter setzte das 7,20 m lange brüchige Bootchen, das eher einer Kinderbadewanne glich, in Lissabon ins Nasse. Glücklich erreichte Tangaroa gerade noch Trinidad und fiel auseinander. James Wharram lernte daraus und entwarf seitdem einen Kat nach dem anderen. Nur der exotischen Namensverleihung blieb er treu, weil das doch so gut den Südseeträumern schmeichelte. Ruth, die begabte Zeichnerin, kannte schließlich ihre Landsleute. James besaß ein damals kaum bekanntes Vorbild: die Kaimiloa von Eric de Bishop. In einer überarbeiteten neuen Auflage von Weit weit voraus liegt Antigua möchte ich mehr darüber zu lesen anbieten.

Das von Ebbe und Flut ständig umbrandete England entdeckte also den Katamaran neu. Man stelle sich ein Segelboot vor, das vor Anker bei ablaufendem Strom im Schlick nicht umkippte, sondern aufrecht stehen blieb! Mehr noch: Nicht einmal die Thermosflasche flog zur tea time vom Tisch und leerte den Earl Grey ins Cockpit, wenn ein Roller die Ankerbucht traf.

Norddeutschen Seglern fiel das beim Englandbesuch auf. Freund Heiner Wölper wird sich so einen englischen Kat kaufen und bald darauf voller Begeisterung mit Multihull Deutschland ein Sammelbecken für Doppelrumpfbootsegler gründen. Dr. Bullmer wird ohne Tamtam und Missionierungseifer mit seiner Frau im großen englischen Kat grandios und ohne Zwischenfälle um die Welt segeln.

Noch so einen Mutigen gab es in Leer, Dr.Petersen. Er baute bereits 1960 einen eigenen Kat, den ersten deutschen Kat aus Holz und nannte ihn Arche II. Es war eine Arche, groß genug für seine sechsköpfige Familie und deren Freunde auf Kreuzfahrt durch die Ostsee. Nur eine goldene oder silberne Plakette der Kreuzerabteilung im Deutschen Seglerverband gab’s dafür nicht. Spöttelnde Hafenmeister hatten seinen „Meer-Omnibus“ mit einem Scheunentor verglichen, andere verweigerten einen Liegeplatz über Nacht. Er nähme den Kielyachten zuviel Platz weg.

Was für ein Unsinn! Wo doch ein Kat noch in einem Ententeich genug Tiefgang findet; aber welchem Yachtclub war ein Ententeich angegliedert. Igitt igitt, Vogeldreck am Teakholzdeck! Sein Wunsch, von der deutschen Kreuzerabteilung für seine Pioniertat geehrt zu werden, blieb illusorisch. Mehrrumpfboote hätten sich wegen Nicht-Seefähigkeit aus dem jährlichen Wettbewerb herausragender Segeltörns fernzuhalten. Das war 1965. Kurz drauf kaufte ich Hobby.

Zur selben Zeit verpaßte die Testcrew der YACHT dem deutschen Katamaranbau einen weiteren Sargnagel. Sie wagte sich an die Erprobung eines kleinen sportlichen Kats aus England heran. Dort gab es wenigstens fünf namhafte Multihullproduzenten. Was die Tester bei der Probe herausfanden: Wie kalt Seewasser sein kann. Sie warfen das Ding um. Wie unbesonnene Kinder, die mit Feuer spielen, hatten sie sich benommen. Ich sehe das tropfnasse Gerät noch auf einer YACHT-Seite am Kran baumeln.

Damit wußte es jeder: Ein Kat, der kentert, richtet sich nicht mehr von allein auf. Noch mehr war damit klar: Ohne umsatzorientierte Bootswerft im Hintergrund war von der Presse nichts Positives zu erwarten. Sonst hätten sie die Schmach nicht an die große Glocke, sprich, den Kran gehängt. Offen gestanden, ich glaube auch heute noch nicht, daß ein Kat an die deutsche Küste gehört. Ausgenommen solche von unverbesserlichen Südseeträumern. Auf einen Kat gehören keine Pudelmützensegler im Ölzeug, sondern Nackte im Lendentuch, basta!

Hilfe! Wir sinken. Die Wasserlinie ist untergetaucht. Genauso wie damals die von Hobby, weil ich mein kleines Boot vor der Atlantikreise maßlos mit Eßbarem und Getränken überladen hatte. Diesmal sind nicht die Äpfel- und Weinflaschenkisten dran schuld, sondern es liegt am Pixelreichtum der vielen Bilder auf dieser Webseite. Da streiken die Maurer meiner Dombauhütte und melden: Schluß jetzt, keinen einzigen Quaderstein mehr.

Großes Nägelkauen. Ich habe doch noch soviel herzuzeigen. Wie behilft sich heutzutage ein Bauunternehmer in so einem Fall? Er sourcet aus, vergibt also seine Aufträge nach draußen. Das mache ich jetzt auch, stelle ein paar zusätzliche Hütten ins Gelände und sorge für einen einfachen Zugang. Wer neugierig ist, braucht nur die folgenden Schilder anzuklicken. Was dort zu finden ist, steht hier: Fotos und Text der Atlantikreise auf Hobby; Fotos und Text zur Frage, was aus Hobby geworden ist; die bebilderte Beichte meiner größten Dummheit unter Segeln und das natürlich auch auf Hobby; endlich die Frage nach einer Neuauflage, die mir am Herzen liegt.


Reich bebilderter Reisebericht >>>>>>>>>>>>> Mit HOBBY über den Atlantik
(Interner Link

Meine größte Dummheit als Segler: >>>>>>>>> Eine Beichte
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Wo ist Hobbys letzte Ruhestätte?
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    Eine Neuauflage?    
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